Der Sängerstein

Büste Kaiser-Wilhelm-II.

Büste Kaiser-Wilhelm-II.

Vom Kaiser-Denkmal zum Gefallenenehrenmal

100 Jahre Ehrenmal des Männergesangvereins „Fidelitas“ Holte

Manfred Hickmann 

Wer vom Dorf Holte die Straße zum Friedhof hinaufgeht, um die Aussicht zu genießen, der wird schon einmal bei der scharfen Rechtskurve den „Sängerstein“, wie er im Volksmund heißt, gesehen haben. Der große dreieckige Findling, der auf einem Sockel von kleinen Findlingen ruht, ist ein Relikt aus der Eiszeit. Sie brachte ihn aus Skandinavien mit und ließ ihn in der Nähe des Wamhofs, am Kuhsiek, liegen. Ob der Stein dort als Kultstein diente, lässt sich heute nicht mehr feststellen.

Wie alljährlich am Himmelfahrtstag, so fand auch am 1. Mai 1913 eine Wanderung des Männergesangvereins „Fidelitas“ Holte statt. Während der Wanderung, die zur Rudolfshöhe südlich von Bissendorf führte, hatte ein Sangesbruder eine Idee: Man konnte doch dem Kaiser Wilhelm II. zum 25, Regierungsjubiläum einen Gedenkstein mit Kaiserbüste errichten. Daraufhin wählten die damals 28 Mitglieder des Chores Christian Brinkmeier, Johann Thiemann und Wilhelm Riemann in eine Gedenkstein-Kommission. Man beschloss, den Gedenkstein auf der Spitze vor dem Hof Meyer zu Sünsbeck zu errichten. Das völlig mit Gestrüpp überwachsene Grundstück wurde von dem Besitzer zur Verfügung gestellt. Der Maurer Georg Meyer errichtete die Grundmauer aus Findlingen, worin auch eine Flasche mit einer Urkunde eingemauert wurde. Auf dem Waldgrundstück des Bauern Hocke aus Himbergen am Wamhof fand man den oben erwähnten großen Findling. Er wurde am 2. Pfingsttag des Jahres „sechsspännig“ aus dem Wald geholt. Hierfür sorgten die Bauern Heinrich Purnhagen, Heinrich Sundermeyer und Gustav Horstmann.

An der Vorderseite des Steines wurde eine Bronzetafel angebracht. Sie zeigt eine Büste des Kaisers Wilhelm II., unter der in Großbuchstaben ,,Wilhelm II. Gesangverein Holte 15. Juni 1913″ steht. Diese Tafel wurde in den Wirren des 1. Weltkrieges gestohlen.

Als sich die Sangesbrüder nach dem 1. Weltkrieg wieder zusammenfanden, wurde der Gedenkstein in ein Ehrenmal für die vier gefallenen Mitglieder umgewandelt.

Im Jahre 1966 wurde im Zuge des Ausbaus der Landesstraße 91 (heute Kreisstra8e 228) von Osnabrück über Bissendorf nach Melle von der Straßenverwaltung angeordnet, daß das Gefallenendenkmal dem neuzeitlichen Verkehr weichen müsse. Bis dahin befand es sich in der Gabelung mit der Kreisstraße 330 nach Borgloh. Am 28. Oktober 1966 wurde der Stein „nach vorsichtigen Vorarbeiten“ abgebrochen und ,,ganz behutsam“ an seinen heutigen Standort auf der Holter Egge gebracht. Dieses geschah unter der Aufsicht des damals 77-jährigen Ehrenmitglieds Gustav Maik. Er war zu dieser Zeit das einzige noch lebende Mitglied, das den Gedenkstein mit errichtet hatte. Am 23. April 1967 fand die Einweihung des wiedererstandenen Denkmals statt. Im Rahmen der feierlichen Zeremonie wurde eine Messinghülse mit der Urkunde von 1913 sowie einer neuen Urkunde in das Denkmal eingemauert.

Kurz vor der Hundertjahrfeier des Männergesangvereins gab es noch eine „fast unglaubliche“ Überraschung. Am Dienstag, dem 7. Juni 1977, fand das Vereinsmitglied August Elbrecht, der auf dem Weg zur Reparatur der Friedhofsmauer war, ein verschnürtes Paket mit großen Maßen und Gewicht. Es war an den Verein adressiert, und als Absender ,,grüßte der Holter Burggeist“. Als man das Paket unter den Augen einiger Vorstandmitglieder öffnete, stellte man fest, dass es sich um die vor fast 60 Jahren gestohlene Bronzetafel von Kaiser Wilhelm II. handelte. Überglücklich über diese Rückgabe wurde sie im Festzug des 100-jährigen Bestehens mitgeführt und der Öffentlichkeit gezeigt.

In den darauf folgenden Jahren wurde im Verein über eine Wideranbringung der Kaisertafel nachgedacht. In den Festzug zum 110 jährigen Jubiläum 1987 und zum 125-jährigen Jubiläum 2002 wurde sie im Festzug mitgeführt. In der Fotoausstellung zur 850 Jahrfeier des Ortes Holte wurde der Geschichte des Sängersteins eine komplette Ausstellungstafel gewidmet.

Im Rahmen des Ausbaus und der Erneuerung der Borgloher Straße wurde der alte Standort des Sängersteins in einen Kreisverkehr umgestaltet. In der Mitte des Kreisels platzierte man einen massiven Kalkstein aus einem nah gelegenen Steinbruch auf. Auf Anregung von Erwin Niemann wurde die Kaisertafel an den Stein, der etwa am ursprünglichen Standort des Sängersteins steht, angebracht. Am 16. Juni 2006 enthüllte man die Kaisertafel nach 93 Jahren im Rahmen einer Feier zur Fertigstellung der Borgloher Straße erneut.

Einige Mitbürger griffen den Verein daraufhin heftig an. In ihren Augen war dieses eine Huldigung des Kaiser Wilhelm II., der verantwortlich für den Weltkrieg I ist. Daraufhin stellte man, in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein Bissendorf, eine Erläuterungstafel auf.

1913-1

Einweihung 19. Juni 1913